Schou’s Intensivkurs in Höflichkeit

(Verhalten des Patienten gegenüber auf der Intensivstation)


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Grund für diesen Aufsatz:  Hier besteht ein Problem, das eine dauerhafte Aufmerksamkeit erfordert.

Nicht untersucht aber stark vermutet:  Die Bedeutung des Vertrauens (an die Therapeuten) für die Bewältigung des Krankheitsprozesses. Dieses Vertrauen wird durch Fehlverhalten negativ beeinflußt.

Oberstes Gebot:  Stellen Sie sich vor, Sie wären selbst der Patient – auf welche Details sollten dann in der Umgangsform geachtet werden?

Wie man es richtig macht?  Schwer zu sagen, aber vor allem indem folgende Fehler (Auflistung inkomplett) vermieden werden. Die meisten Fehler erlebt man bei der Kommunikation von Ärzten und Pflegepersonal, vor allem bei der Visite.
 

A.  Es wird ohne Vorwarnung und Begrüßung in das Zimmer des Patienten eingedrungen (oder ist der Patient in unser Hoheitsgebiet zu Unrecht eingedrungen?).

B.  Untersuchung von Bauch und Extremitäten wird ohne Einbindung des Patienten durchgeführt. Pflegekräfte oder Ärzte werden gefragt, ob der an sich ansprechbare Patient Schmerzen hat, zur Schlafqualität und wie es überhaupt geht.

C.  Ein Verwirrtheitszustand (vielleicht auch nur ein früher), bzw. eine schlechte Prognose wird im Zimmer besprochen.

D.  Einerseits werden vulgäre Wörter verwendet (z.B. ‚Pinkeln‘ anstatt ‚Ausscheidung‘) die der Patient versteht ohne sie selbst zu gebrauchen, andererseits Begriffe durch akademische oder pseudo-lateinische Wörter verschleiert.

E.  Die Information, welche Untersuchungen und Maßnahmen geplant sind, werden den Patienten vorenthalten.

F.  Bei der Beendigung des Besuches marschieren die Teilnehmer der Visite schweigend hinaus ohne sich zu verabschieden (ähnlich Pkt. A)


Bei kleineren Besuchen (welchem Zweck sie immer dienen mögen) sind grundsätzlich die gleichen Fehler möglich, wobei es zum Glück hier schwieriger ist, den direkten Kontakt zu vermeiden.

Noch schwieriger wird es, sich den Bedürfnissen der verschiedenen Patienten (bei den verschiedenartigsten Mitarbeitern) anzupassen – eben darum darf es keine allgemeine Vorschriften für das Verhalten geben.

„Bewußtlose“ Patienten  gibt es natürlich, aber gelegentlich erfährt man doch, daß der vermeintlich Bewußtlose etwas mitgehört hat. Viel größer dürfte dafür der Anteil an Patienten sein, die ebenfalls etwas mithören, es aber es wegen der Amnesie (oder weil Sie später verstorben sind) nicht mitteilen können. Infolge dessen geht man besser davon aus, daß der Patient mithört was gesagt wird, also auch Bemerkungen zur Prognose. Dementsprechend soll man sich verhalten.

Beatmete Patienten  sind ebenfalls so anzusprechen, als ob sie alles mithören, da sich dieser Eindruck gelegentlich bestätigt. Da die beatmeten Patienten noch hilfsloser sind als andere, sollte sich ständig eine Pflegekraft in der Nähe aufhalten.

Besucher  können selten die Zwecke des Personals erfüllen und gehören dennoch dazu, oft im Sinne des Patienten. Das Verhalten denen gegenüber ist aber ein anderes Kapitel.

Illustration der Punkte A-F durch einen

Imaginäre Patientenbericht

„Ich war wieder eingedöst, dann wurde die Tür aufgerissen und eine Menge Leute stürmten herein. Zuerst dachte ich, sie hätten sich verirrt, denn es war als ob der Besuch nicht mich gegolten hätte, man hat mich nicht begrüsst, nicht einmal eines Blickes gewürdigt. Dieser Eindruck änderte sich aber schnell, als plötzlich einer der Männer mir auf den Bauch gedrückt hat, immernoch ohne mich anzuschauen. Man fragte, wie ich geschlafen hätte und ob noch Schmerzren vorhanden waren, an sich ein positives Zeichen, nur die Frage war nicht an mich gerichtet, sondern an eine junge Frau, die ich an diesen Tagen schon öfters gesehen hatte. Diese antwortete wieder, daß ich in der Nacht etwas verwirrt gewesen sei, aber jetzt ging es besser – ‚nicht zurechnungs-fähig,‘ heißt es bei der Justiz. Ob dies mich freundlicher stimmte?
Was hier besprochen wurde, kann ich nicht sagen, einerseits weil ich das Meiste nicht verstanden habe, andererseits weil ich doch einige Wörter zu gut verstanden habe, fürchte aber daß das Papier es nicht annimmt. Was der Tag sonst bringen sollte, hat man mir nicht verraten, ich befand mich ja ihrer Meinung nach in einer geistigen Ohnmacht, aber trotzdem habe ich diesen Eindruck behalten. Zum Glück waren sie auf ein Mal wieder weg, verschwunden so unformal wie sie gekommen war.“
 
 
 

July 7, 2001,
Rev. Sept. 6, 2001

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