Wie bin Laden Ermordet Wurde

“Ich muss berühmt werden,” stöhnte ich, “sonst wird man nie meine Geschichten drucken. Um gedruckt zu werden, muss man vorerst berühmt werden, um um berühmt zu werden, muss man erst gedruckt worden sein. Wie komme ich in diesem Glücksrad hinein?”

     “Schau mal, den an Osama Bin Laden, er ist doch berühmt,” sagte Urs[1].

     “Man kann ja auch alles übertreiben,” erwiderte ich, “außerdem ist er wohl mehr berüchtigt als berühmt.”

     “Lieber ein schlechter Ruf als gar keine,” meinte mein Freund. “Seine Memoiren werden sicherlich gut verkauft, wenn er welche herausgeben möchte. Aber wie wäre es, wenn du ihm umbringen würde, dann wärest du sofort berühmt und deinen Namen, wenigstens für eine gewisse Zeit, in aller Munde.”

     “Wie denn?” fragte ich. Ich habe noch keine Erfahrungen als Mörder, aber in diesem Fall könnte man wohl sich selbst und die Menschheit mit einem Schlag ein Gefallen tun. Es hörte sich an als ob Urs einen plan hatte.

     “Indem du dich als Taliban-Kämpfer verkleidest, zehn Kilo Dynamit auf dem Körper versteckst und hochgehen lässt, indem du Bin Laden die Hand reicht: Bum, und die Sache ist erledigt.”

     “Und ich leider auch. Die Berühmtheit wird posthum sein. Wenn es überhaupt eine gibt, denn woher weiß die Welt dass ich es war? Ich hatte bisher keine gute Presse. Und wie kann ich mit meiner Größe und Unkenntnis in der arabischen Sprache, Religion und Kultur überhaupt in der Nähe von Bin Laden kommen?”

     “Es sind zwar gewisse logistische Probleme,” antwortete Urs, “aber diese können wohl gelöst werden. Nur, wenn es so weit ist, sag bitte nicht dass ich dir geholfen habe.”

     “Kein Gefahr, mit meiner bisherige Marketingwirkung werde nicht einmal ich erwähnt werden dabei,” sagte ich beruhigend.

 

Ich habe die Sache weiter überlegt und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich als Mörder absolut ungeeignet bin, zumal es gegenwärtig (Anfang Oktober 2001) recht schwierig ist, nach Afghanistan zu reisen. Keine Touristen, keine Charterflüge. Aber vielleicht könnte ich das Wort ‚Mord‘ in einer anderen Zusammenhang verwenden, das Rufmord?

     Normalerweise besteht ein Rufmord darin, ein anderer Mensch einen schlechten Ruf zu verleihen. Was ist wenn ein Mensch, außer in seinen eigenen Kreisen, den schlechtest denkbaren Ruf hat, wie kann man dies noch schlechter machen?

     Antwort: In dem man einfach das Gegenteil bezeugt, was er gerne hätte: Er sei ein durchaus netter Mensch, vom Beruf Straßenbauer, und mit allen schlechten Sachen hat er, wie er selber sagt, gar nicht zu tun. Nein ehrlicher Familienvater, nur wenn man ihm näher kennt, wird man leicht enttäuscht über sein Whisky-Verbrauch – für die Gäste hat er gar nichts übrig, weil er selber alles säuft – und seine religiöse Ausschwei­fungen, Allah habe ihm gnädig dafür.

     Das Problem ist aber, ob man dies wirklich gerne hätte? Die Gefolgsleute von Bin Laden sicherlich nicht, aber auch diejeni­gen, die ihm heute jagt, nicht. Sie brauchen einen Feindbild, nicht ein harmloser, alkoholsüchtiger Familienvater.

     Und deshalb, nur deshalb, ist Osama Bin Laden für mich sicher. Ich kann ihm nichts Schlechtes tun, weder ein Mord, noch ein Rufmord. Deshalb gebe ich dem Ball zurück an Urs[2]. Er kann ihm jetzt selber umbringen!

 

John[3]

 

 

Aus der Tiefe der Festplatte ausgegraben in August 06. Es hat sich etwas geändert, seit ich dies im Oktober 2001 geschrieben habe. U. a. halte ich nicht Osama bin Laden für 9/11 verant­wortlich (Siehe 'Who was Responsible for 9/11?'), und Osama bin Laden, der Dialysepatient, verstarb 3 Tage vor Weihnachten 01 (wird aber weiterhin als Feindbild verwendet).



[1] Wirkliche Name der Redaktion bekannt, wird aber nicht bekanntgegeben bevor Al Quaida seine Preisvorstellungen erheblich nach oben korrigiert.

[2] Preisangebot noch zu gering, aber es nähert sich

[3] Richtige Name der Redaktion bekannt, hierfür wurde aber wegen seiner Unbekanntheitsgrad bisher kein Angebot gemacht.