Duodecameron


zum Titel

Duodecameron

 

 

„Warum heißt das Buch Duodecameron eigentlich Duodecameron?“, wurde ich gefragt. Die einfache Antwort ist, dass es nach Decameron ‚schmeckt‘, dem Prototyp einer Novellensammlung, und dass duodecim, in Latein, die Anzahl der zwölf Vertriebenen wiedergibt. Daraus ergeben sich aber weitere Fragen. Bei Boccaccio waren es nur sieben Flüchtlinge; die Zahl zehn, auf die sich sein Titel bezieht, waren die Tage des Aufenthaltes (griechisch: Decamerone, das Zehntagewerk), aus denen der Segen von einhundert Erzählungen floss. Und übrigens, ich habe sehr spät, nachdem ich den Titel längst festgelegt hatte, in der Geschichte ‚Frische Luft‘ einen dreizehnten Erzähler ins Spiel gebracht, obwohl er direkt nicht erscheint.

In die Defensive gebracht, bleibt mir wohl die Erklärung, dass dieser Titel eine Benennung ist – eine kaum genutzte, übrigens – und dass ich durch sie Boccaccio doch nicht ganz verleugnen möchte. Mussten seine ‚Spieler‘ vor einer Pestepidemie in die Berge um Firenze flüchten, so ist es 650 Jahre später die Flucht vor der neuen Moral im dritten Jahrtausend, die alle schwer erkämpften humanistischen Fortschritte in so kurzer Zeit vertreibt (z. B. die neue amerikanische Inquisition), und die Flüchtlinge vor dieser Neuen Weltordnung etwas weiter in die Höhe fliehen lässt.